Quallen und Korallen – von Glibber und Gärten


Was haben quabbelige Quallen mit kunstvollen Korallen zu tun?

Auf den ersten Blick scheinen die beiden nicht viel gemein zu haben – und  doch gehören sie zum selben Tierstamm, den Nesseltieren (Cnidaria).
Ihre Gemeinsamkeit ist auch der Namensgeber: die Nesselzellen (→.
Cnidocyten
).
Sie sind
einzigartig im Tierreich und faszinierend in Aufbau und Funktion.
Nesselzellen sind die effektivsten Hochgeschwindigkeitswaffen, die wir im Tierreich kennen und werden für Beutefang, Schutz vor Fressfeinden und Abwehr von Raumkonkurrenten eingesetzt.


Wie funktioniert so eine Nesselzelle?
Nesselzellen sind in der Außenhaut sitzende Kapseln, die ein äußerst spitzes kleines Stilett und einen Nesselfaden mit giftigen Proteinen enthalten.

Eine zehn Meter lange Tentakel ist mit rund 700.000 hochexplosiven Nesselkapseln ausgestattet.


Ausgelöst durch die Berührung eines winzigen, nach außen ragenden Fortsatzes der Nesselzelle „schießt“ die Nesselzelle das Stilett ab, das mit der Wucht einer Gewehrkugel selbst Krebspanzer durchschlägt. In diese geschlagene Wunde injiziert der Nesselfaden sein Gift.
(Ein paar Beschleunigungsgeschwindigkeiten zum Vergleich:

Die Beschleunigung des Stiletts und des Nesselfadens beträgt 49.050.000 m/s2.

Ein moderner ICE schafft gerade mal 0,5 m/s2; ein Formel1-Fahrer 10 m/s2; Roger Federer kann seinen Tennisball auf ca. 10.000 m/s2 beschleunigen und selbst Gewehrkugeln erreichen nur eine Beschleunigung von etwa 1.000.000 m/s2, was bedeutet, dass die Beschleunigung der Nesselfäden fast das Fünfzigfache einer Gewehrkugel beträgt!).


Eine einmal entladene Nesselzelle kann nicht wieder recycelt werden, sondern stirbt ab und wird innerhalb von 48 Stunden durch eine neue ersetzt.

Beim Fang eines kleinen Krebses z.B. werden ca. ein Viertel der Nesselzellen verschlissen.

Um unnötige Nesselzellverluste (etwa bei der Berührung durch harmlose oder uninteressante Gegenstände) zu vermeiden, wird das Entladen durch zwei voneinander unabhängige Reizungen kontrolliert: meist ist eine bestimmte Kombination von mechanischem und chemischem Reiz notwendig, damit gefeuert  wird.


Wofür brauchen die Nesseltiere solche „Hochleistungswaffen“?

Quallen besitzen einen Kranz aus Tentakeln, die jedoch weder mit starken Muskeln noch mit Saugnäpfen zum Festhalten ausgestattet sind (wie z.B. beim Tintenfisch).
Eine flinke Beute könnte sich also problemlos daraus befreien, wenn die Qualle sie nicht gleichzeitig kampfunfähig machen würde.
Berührt die Beute die nesselbesetzten Tentakel der Qualle, so reagieren die kleinen Giftharpunen blitzschnell. Durch das Gift gelähmt oder getötet, kann das Opfer ohne Gezappel in den Magenraum verbracht und dort verdaut werden.

 

Nicht alle Quallen „brennen“

Die Nesselzellensubstanz der am häufigsten vorkommenden Schirmquallen ist für Menschen ungefährlich, im schlimmsten Fall unangenehm und hautreizend.
In der Nord- und  Ostsee kommen vor allem 2 Arten der Schirmquallen vor: die vollkommen harmlose Ohrenqualle (Aussehen: durchsichtig mit vier weiß- / rosa- oder lilafarbenen Ringen auf der Oberseite) und die Gelbe Haarqualle, von vielen als Feuerqualle bezeichnet (Aussehen: gelb bis dunkelrot).

Deutlich giftiger sind dagegen die fischfressenden Würfelquallen. Am giftigsten ist die australische Seewespe.

Angst und Hysterie sind jedoch nicht nötig, denn wir gehen ja auch weiterhin unter Menschen und gegen die Zahl der durch Menschen verursachten Tötungsfälle nimmt sich selbst die Seewespe aus wie ein Lämmchen.

 

Wenn du

  • Dich vor dem Baden an fremden Stränden über mögliches Quallenvorkommen informierst
  • beim Baden und Tauchen nichts anfasst (und wenn die Qualle dich „anfasst“ – die meisten sind wie gesagt harmlos – spülst du die betroffenen Stellen einfach mit Seewasser oder Essig ab und bestreichst sie mit Kühlsalbe)
  • in Australien nur innerhalb von Netzen geschützten Badebereichen schwimmst

bist du auf der sicheren Seite.

Auch durch Nylon hindurch können Quallen dem Menschen nichts anhaben!

Dünne Nylonanzüge gibt es bei Tauchequipment-Anbietern; für Planscher reicht vielleicht schon eine gute Damenstrumpfhose J

Auch wenn sie für Badeurlauber lästig sein mögen: mit der aggressiven Bekämpfung von Quallen sollte man / mensch vorsichtig sein, denn der Ozean ist ein funktionierendes System, aus dem man nicht wahllos Komponenten entfernen kann, ohne unüberschaubare Konsequenzen auszulösen.


Für die Quallen ist das Meer ihr rechtmäßiges Zuhause – wir sind dort nur zu Gast.


Wer gehört alles zu den Nesseltieren?

Der Tierstamm der Nesseltiere umfasst 4 Gruppen:

Die bekanntesten Quallen gehören zur Gruppe der Schirmquallen (Scyphozoa), z.B. die harmlosen Ohrenquallen, die weltweit an allen Küsten und Stränden vorkommen.

Giftige Quallen, wie z.B. die Seewespe, gehören meistens zur Gruppe der Würfelquallen (Cubozoa) und treten bei weitem nicht so häufig auf wie die Schirmquallen.

Die hübschen Seeanemonen, Gorgonienund kunstvollen Korallen gehören zur Gruppe der Blumentiere (Anthazoa).

In der Gruppe der Hydrozoafindet man Süßwasservertreter, aber auch die gefürchtete Portugiesische Galeere, die trotz ihres quallenhaftenAussehens keine Qualle ist, sondern ein Zusammenschluss bzw. Kolonie vieler Polypen!






Fächergorgonie im Roten Meer,

Ägypten






Salatkoralle mit Fischkinderstube,

Rotes Meer, Ägypten




Steinkoralle mit kleiner Seeschlange und Seeigel

im Vordergrund Seeanemonen,

Rotes Meer, Ägypten

Gestaltwandel - Qualle oder Koralle?

Das Besondere an den Nesseltieren ist, daßdie meisten Arten in zwei völlig verschiedenen Erscheinungsformen auftreten können: als festsitzender Polyp oder als freischwimmende Meduse (die Qualle).

Diese „Verwandlung“ findet innerhalb eines Generationswechsels statt:

1. Medusen (Quallen) sind geschlechtlich und setzen männliche Samenzellen bzw. weibliche Eizellen frei, wenn sie aufeinander treffen.
2.Aus den befruchteten Eiern entwickeln sich winzige, schwimmende Larven (die Planula-Larven). Sie suchen sich ein Gebiet, wo sie sesshaft werden können, heften sich an und wachsen zu festsitzenden Polypen heran.
3.Der Polyp ist ungeschlechtlich und produziert neue männliche oder weibliche Quallen z.B. indem er an seinem oberen Ende einfach Scheiben abschnürt (→ Strobilation), die zu Quallen werden(z.B. bei Schirmquallen).

Diese Art des Generationswechsels – ein Wechsel zwischen einer geschlechtlichen und einer ungeschlechtlichen Generation – kommt bei Tieren eher selten vor, und ist deshalb etwas Besonderes. Bei Pflanzen ist so ein Generationswechsel durchaus üblich.

Aber auch unter den Nesseltieren machen nicht alle Arten den Generationswechsel mit:
Die Blumentiere machen ihrem Namen alle Ehre und sind am liebsten sesshaft: sie bilden die wunderschönen Seeanemonen und kunstvollen Korallen und kommen überhaupt nicht als Medusen (Quallen) vor.

Arten wie die Hochseequalle umgehen das Polypenstadium, weil es auf dem offenen Meer keinen geeigneten Platz für die Polypen gäbe, um sich niederzulassen und anzuheften.

Wissenswertes über Quallen & Korallen

Quallen bestehen zu 99 Prozent aus Wasser. Ihr Körper ist ein Gebilde aus nur zwei hauchdünnen Zellschichten, einer inneren und einer äußeren, dazwischen liegt eine Gallertmasse als Stützschicht.
Quallen haben kein Gehirn, aber für eine Packung Glibber ein beachtliches Nervensystem mit Sinnesorganen: sie können Licht wahrnehmen und oben und unten unterscheiden, sie können Beute jagen, auf Feinde reagieren und Geschlechtspartner erkennen. 

Quallen stehen auf dem Speiseplan vieler Fische. Der Zusammenhang zwischen zunehmenden Quallenplagenund menschlichem Fischkonsum sollte damit jedem klar sein. Wenn der Leerfischung der Meere nicht bald Einhalt geboten wird, können wir wohl bald in Wackelpudding baden. Fisch ist seit der hohen Schadstoffbelastung der Meere ohnehin alles andere als gesund – der „Verzicht“ sollte also leicht fallen.


Plastiktüten, die im Meer treiben, ähneln in Form und Bewegungsmuster den Quallen. Fische, auf deren Speiseplan Quallen stehen, verwechseln diesen Müll mit den glibberigen Köstlichkeiten, verfangen sich in den Tüten und / oder kriegen statt Qualle nur Plastik in den Magen. Die Fische verhungern mit vollem Magen.


Korallen sind Kolonien von Polypen; Korallenriffe sind die durch Kalkeinlagerungen entstandenen Skelette der Polypen.

Die Polypen bilden aus den Bestandteilen des Meerwassers Aragonit (eine Form von Calciumcarbonat CaCO3) und sondern es aus ihrer Fußscheibe oder ihrem Ektoderm ab, um der Kolonie Stütze zu verleihen. So bilden sie ganze Skelette, durch die die Korallenriffe entstehen.
Die Einzelskelette sind oft pflanzenartig verzweigt und an den Zweigenden, den Wachstumsspitzen, sitzen die oft farbenprächtige Polypen, die den Eindruck vermitteln, Korallen seien unterseeische Blütenpflanzen.

Seeanemonen sind keine Unterwasserblümchen

Seeanemonen sind trotz ihres blumigen Namens Tiere und gehören zur gleichen Klasse wie die Korallen.

Viele kennen sie vielleicht als das „Wohnzimmer“ vom fischigen Filmhelden„Little Nemo“.

Tatsächlich gehen Seeanemonen und Anemonenfische eine Art Wohn- oder Lebensgemeinschaft ein, von der beide Seiten profitieren (→ Symbiose): der Anemonenfisch ist zwischen den Tentakeln der Seeanemone vor Feinden geschützt, die sich nicht an die nesselbesetzten Fangarme herantrauen; die Seeanemone wird von ihrem Bewohner gereinigt.

Aber wie kann der Anemonenfisch fröhlich zwischen gefährlichen Tentakeln wohnen, die für andere Fische das „Aus“ bedeuten würden? Die Erklärung ist, daßAnemonenfische von einer Schleimschicht bedeckt sind, die der Oberfläche der Seeanemonen ähnelt. Berührt der Fisch die Tentakel, ordnet die Anemone ihn als zu sich gehörig ein – und sich selbst bekämpft man nicht.

Seeanemonen-Kolonie

Rotes Meer, Ägypten

Korallenriffe sind die wichtigsten Stützpfeiler des Ökosystems Meer:

  • sie sind die unverzichtbare Kinderstube im Lebenszyklus der Fische
  • sie sind Lebensraum für Krebse und Weichtiere
  • sie binden viel Kohlendioxid
  • sie schützen das Land vor starker Brandung und Sturmfluten

Mit ihrer Vernichtung durch

  • Grundschleppnetzfischerei
  • aberwitzige Mengen von Schadstoffen und  Düngemitteln die ins Meer gelangen
  • sinnlose Korallenrodung für Schmuck und Souvenirs
  • Massentauchtourismus
  • Meereserwärmung (durch den globalen Treibhauseffekt)

wird eine Kettenreaktion ausgelöst, die der Mensch noch nicht mal ansatzweise einschätzen kann.


Was kannst du tun?

  • kein Fisch auf dem Teller
  • keine Korallenkette um den Hals und kein Korallenstock als Raumdeko (das Angebot wird von der Nachfrage geregelt…..)
  • als Taucher NICHTS unter Wasser berühren – weder mit den Flossen noch mit den Händen – und auch andere Taucher freundlich darüber aufklären; das Tauchboot nicht im Korallenriff verankern
  • Nahrungsmittel möglichst aus biologischem Anbau, in dem auf Düngemittel weitestgehend oder ganz verzichtet wird
  • dich über Möglichkeiten informieren, wie du die Freisetzung von Treibhausgasen minimieren kannst

Biologischer Steckbrief:
Stamm: Nesseltiere (Cnidaria)


4 Klassen:
Schirmquallen (Scyphozoa)

Würfelquallen (Cubozoa)

Blumentiere (Anthazoa)

Hydrozoa

Ca. 11.000 Arten


Zellen / Gewebe:

Ektoderm („Außenhaut“)
Entoderm (bilden den Magenraum mit Drüsenzellen → zur Ernährung)
Mesogloea  (Gallertschicht mit Stützfunktion)

Cnidocyten(Nesselzellen)

spezialisierte Zellen (Nervenzellen, Sinneszellen, Epithelmuskelzellen)


Morphologie:

Meduse und Polyp im Generationswechsel


Fortpflanzung:

Geschlechtliche Meduse: sexuell durch einfache Freisetzung von Spermien und Eizellen

Ungeschlechtliche Polypen: durch Knospung oder Strobilation


Ernährung;

Carnivoren(z.B. kleine Krebse, Fadenwürmer (Nematoden), Weichtiere (Mollusken), Larven die an ihnen vorbeiziehen)

Intrazelluläre Verdauung


Organe: keine

Atmung: keine

Blutkreislauf: keiner